Wenn KI bei der Bewerbung mitmischt.
Interview vom 27. Juni 2023 betreffend KI mit Philipp Hammer, Geschäftsleiter WILHELM Vaduz
Immer mehr Bewerber lassen ihre Bewerbungsunterlagen von KI wie ChatGPT schreiben. Und immer mehr Unternehmen bewerten potenzielle neue Mitarbeiter mittels KI. Was halten Sie davon?
Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, unseren Alltag, unser Leben, unsere Art zu denken und zu arbeiten substanziell zu verändern. Gemäss einer kürzlich publizierten Gartner-Umfrage unter CEOs ist KI gar die wichtigste disruptive Technologie, die Geschäfts- und Betriebsmodelle tiefgreifend prägen wird. Sie ermöglicht autonomes Fahren, automatisiert und optimiert Prozesse. Kurzum: Sie vermag unseren Alltag zu vereinfachen. So die Vision, die Realität sieht aber anders aus. Faktisch steckt die Technologie in den Kinderschuhen, muss noch so manche Hürde nehmen, liefert aber bereits spannende Ergebnisse. So zum Beispiel ein durch ChatGPT generiertes Motivationsschreiben, das zwar als Grundlage dienen kann, aber ein individuelles Finish nicht ersetzt. KI-basierte Softwarelösungen, die im Rekrutierungsprozess bei der Vorselektion helfen, fehlt es meines Erachtens sowohl an Präzision als auch Flexibilität. Kommt hinzu, dass ein Dossier oft nur eine begrenzte Aussage über die Qualität einer Kandidatur erlaubt.
Ist der Einsatz von KI bei Bewerbungsprozessen sinnvoll?
Ja, immer vorausgesetzt, man ist sich in der Anwendung den Grenzen von KI bewusst.
Was können Vorteile und Nachteile davon sein?
Während Effizienzsteigerung und Inspiration meines Erachtens zu den wesentlichen Vorteilen zählen, können ungewollte Filterung oder unbeabsichtigte Diskriminierung nicht zu unterschätzende Nachteile sein.
Setzen Sie selber solche Methoden bereits um oder könnten Sie sich das künftig vorstellen?
Nein, wir setzen aktuell nicht auf KI-basierte Prozesse, verschliessen uns aber weder dem Thema noch den daraus entstehenden Möglichkeiten. Im Gegenteil: Wir bewegen uns am Puls der Zeit, beschäftigen uns mit den Entwicklungen und wägen die Chancen mit den Risiken ab. In Anbetracht des Fachkräftemangels, aber auch der Tatsache, dass die passendsten und besten Talente und Lösungen im Bereich Expert und Executive Search oftmals durch individuelle Vorgehensweisen gefunden werden, dürften sich zunächst insbesondere hybride Modelle durchsetzen.
Welchen Stellenwert haben Anschreiben heutzutage noch bzw. auf was kommt es im Bewerbungsprozess Ihrer Meinung nach am meisten an?
Ein Dossier beinhaltet heute oftmals gar kein Anschreiben mehr. Und falls doch, ist es in der Regel austauschbar und wenig aussagekräftig. Bedeutet im Umkehrschluss, dass genau darin eine Chance liegt, sich durch ein kreatives und pointiertes Anschreiben von anderen Kandidaturen zu differenzieren.
Inwieweit wird KI künftig den Bewerbungsprozess verändern?
KI wird den Bewerbungsprozess für Stellensuchende aber auch Unternehmen verändern. Sie wird uns unterstützen, assistieren, inspirieren und dabei helfen, besser zu werden. Ersetzen wird sie uns aber noch lange nicht, sind wir doch ihr Lehrer auf dem Weg ihrer Entwicklung.